Online-Grundbuch: Zürich schränkt die Transparenz massiv ein

Im Kanton Zürich ist das Grundbuch seit diesem Sommer endlich auch digital einsehbar. Doch der Kanton hat den Zugang bereits massiv eingeschränkt. Die Hoffnung auf mehr Transparenz hat sich vorerst zerschlagen.

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Warum schafft es Zürich nicht? (Bild: Screenshot Kanton Zürich / Tsüri.ch)

Das Grundbuch ist öffentlich, so steht es im Gesetz. Man muss nicht einmal ein konkretes Interesse angeben, um beispielsweise die Eigentümer:innen eines Grundstückes abzufragen. 

Ebenfalls im Gesetz steht, dass die Persönlichkeitsrechte geschützt werden müssen. Deshalb ist es nicht erlaubt, einfach so eine Liste mit allen Grundstücken zu bestellen, die einer bestimmten Person gehören.

Wer eine Auskunft erhalten wollte, musste sich bis vor Kurzem telefonisch beim Grundbuchamt melden. Drei Abfragen pro Tag und Person waren erlaubt, wie eine ungeschriebene Regel besagte. 

Dann der Durchbruch: Der Kanton Zürich machte Ende August das Grundbuch digital zugänglich. Ein Meilenstein in der Digitalisierung und der Transparenz. Online galt die Regel, dass pro IP-Adresse fünf Abfragen pro Tag möglich sind. Mit dieser Begrenzung sollte ein massenhaftes Absaugen der Daten verhindert werden.

Inzwischen ist diese Limite durch das Grundbuchinspektorat bereits massiv beschnitten worden. Stillschweigend sind neu nur noch zwei Abfragen pro Tag und IP-Adresse möglich. Ausserdem gibt es neu eine Tageslimite, die sich auf alle Anfragen bezieht. So kommt es nicht selten vor, dass bereits ab dem Mittag keine Abfragen mehr möglich sind. Für niemanden. 

Wie der Tagesanzeiger berichtet, wehrt sich die Alternative Liste gegen diese Einschränkung: «Ein solch intransparentes Vorgehen gegenüber der Öffentlichkeit ist inakzeptabel und schwächt das Vertrauen in staatliche Institutionen.» Auch der Mieterinnen- und Mieterverband ist empört, denn die Arbeit ihrer Berater:innen werde auf «unzulässige Weise» behindert.

Wie hoch diese Tageslimite angesetzt ist, will das Grundbuchamt auf Anfrage nicht preisgeben. Nur so viel: Man wolle mit den neuen Einschränkungen Serienabfragen verhindern. Es gibt bereits diverse andere Kantone, welche sich an die gleichen Gesetze halten müssen und trotzdem einen digitalen Zugang zum Grundbuch geschaffen haben. In Basel-Stadt sind beispielsweise 20 Abfragen pro Tag und IP-Adresse möglich. Warum in Zürich nur ein Zehntel davon rechtens sein soll, ist unklar. 

Doch das Grundbuchamt ist nicht alleine mit dem Wunsch nach weniger Transparenz. Bereits im September reichten einige bürgerliche Kantonsrät:innen kritische Fragen zum Online-Grundbuch ein. Um Missbrauch einzuschränken fordert die FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel im Tagesanzeiger: «Wer das Eigentum abfragen will, soll zuerst einen Nachweis erbringen, weshalb er diese Information braucht.» Dabei vergisst die Politikerin, dass gemäss Gesetz explizit kein solcher Interessensnachweis erbracht werden muss. 

Dass der Kanton Zürich bei der Digitalisierung des Grundbuchs schweizweit auf dem letzten Platz liegt, haben wir bereits vor drei Jahren berichtet. Dass jetzt nach einem zögerlichen Schritt nach vorne bereits wieder einer zurück gemacht wird, ist ärgerlich und schadet dem Vertrauen in die Institutionen. Das Grundbuch ist per Gesetz öffentlich, es wäre schön, wäre es in Realität auch so.

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2024-02-27 Portraits Emilia, Simon, Isa-70 2

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark.

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Politische Themen fesseln mich, schon seit ich ein eigenes Denken entwickelt habe. Darum schreibe ich auch am liebsten darüber. Weil aber fast alles politisch ist, schreibe ich über fast alles gerne. Ausser über Theater, die schaue ich mir lieber einfach an.

Darum bin ich Journalist:

In einer nicen Stadt wie Zürich gibt es Dinge, Ereignisse, Menschen, die eine Öffentlichkeit verdient haben und kritisch besprochen werden sollten. Ausserdem weiss ich, dass junge Menschen nicht das Interesse an politischen Themen und gutem Journalismus verloren haben – sie werden allzu oft leider einfach nicht als Zielgruppe ernstgenommen. Fazit: Gute Geschichten für junge Menschen, das treibt mich als Journalist an.

Das mag ich an Zürich am meisten:

Unsere Stadt ist gross genug, um eigene Projekte anreissen zu können und klein genug, um den Überblick nicht zu verlieren. Das liebe ich. Und den Sommer. Und all die lieben Menschen.

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