Das Kosmos war von Anfang an zum Scheitern verurteilt

Das Kulturhaus Kosmos ist am Ende. Erstaunlich ist aber eher, wie lange es durchgehalten hat. Ein Kommentar von Steffen Kolberg.

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(Bild: Seraina Manser)

Nun ist es also vorbei mit dem Kosmos. Immerhin fünf Jahre hat das Kulturhaus durchgehalten – erstaunlich lange angesichts der ständigen Querelen und Interessenkonflikte, die seine Existenz von Anfang an begleiteten. Geboren aus dem Gedanken, dass ein seelenloses Quartier eine kulturelle Seele verdiene, gelang es all die Jahre nicht, dem Haus eine solche einzuhauchen. Und das hat mehr mit der Grundkonstellation zu tun als mit den Absichten einzelner Protagonist:innen. Ein extrem teurer Betontempel, der sich irgendwie amortisieren und selbst tragen können muss und gleichzeitig Heimstätte des progressiven Kulturlebens der Stadt sein möchte – die Abhängigkeiten und Konflikte waren vorprogrammiert.

Heraus kam beispielsweise ein Kinoprogramm, das sich in weiten Teilen kaum von dem der vielen anderen Programmkinos der Stadt unterschied, aber immerhin den schönen Kinosälen eine gute Auslastung bescherte. Oder eine Speisekarte, die im einen Moment mit Fast Food die Massen anlockte und im anderen mit Gerichten im oberen Preissegment die jungen Kulturleute abschreckte, die doch irgendwie auch dazu gehören sollten.

Gelitten haben darunter all die Jahre nicht so sehr die Aktionär:innen und Verwaltungsrät:innen des Kosmos, die mit ihrem Dauerkonflikt um Mehrheiten, politische Einflussnahmen und Einzelinteressen die Schlagzeilen beherrschten. Sondern die vielen Mitarbeiter:innen, die auf verschiedensten Ebenen versuchten, Ruhe und Ordnung in den Arbeitsalltag zu bringen – und mit ihnen letztlich auch das Publikum. Spätestens seit 2019, als ein grosser Teil des engagierten Anfangsteams den Gastrobetrieb des Kosmos verlassen hatte, wurde mit ständigen Anpassungen und Kurswechseln versucht, die Rentabilität zu steigern. Die übrigen Mitarbeitenden, die bislang mit viel Herzblut versucht hatten, den Laden zusammenzuhalten, wurden zu Verwalter:innen des Chaos.

Unnötig zu erwähnen, dass Corona ab dem darauffolgenden Jahr die Sache nicht besser machte. Die Abgänge, sei es aufgrund betriebspolitischer Auseinandersetzungen oder der unsicheren Pandemie-Lage, wurden seither ein ständiger Begleiter. Die dringend benötigte Kontinuität rückte in weite Ferne – sowohl am oberen als auch am unteren Ende der Belegschaft.

«Geld&Geist» lautete der Arbeitstitel des Kosmos-Projekts in seinen ganz frühen Tagen. Vielleicht hätte es dem geistigen Teil ganz gut getan, wenn etwas weniger Geld in die Hand genommen worden wäre. Denn progressives Kulturleben und betriebswirtschaftliche Zwänge gehen nur selten zusammen, auch in einer reichen Stadt wie Zürich. Wichtige Debatten, gute Drinks und schöne Kinosessel setzen kein Multimillionen-Projekt voraus, sondern in erster Linie engagierte Leute.

Der Autor war von 2019 bis 2021 als Servicemitarbeiter selbst Teil des Kosmos-Teams.

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Sein Studium in Politikwissenschaften und Philosophie in Leipzig brachte Steffen zum Journalismus. Als freier Journalist schrieb er für die WOZ, den Tagesspiegel oder die Schaffhauser AZ. Laut eigenen Aussage hat er «die wichtigste Musikzeitschrift Deutschlands, die Spex, mit beerdigt». Seit 2020 ist Steffen bei Tsüri.ch. Sein Interesse für die Zürcher Lokalpolitik brachte das wöchentliche Gemeinderats-Briefing hervor. Nebst seiner Rolle als Redaktor kümmert er sich auch um die Administration und die Buchhaltung.

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