Das Velo zu Gast auf seiner eigenen Vorzugsroute

Noch immer dominieren die Autos den Verkehr. Es sind zwar Verbesserungen erkennbar, aber den Namen «Vorzugsroute» hat die Strecke nicht verdient. Ein Kommentar von Simon Jacoby.

Im Minutentakt fahren Lastwagen über die Velovorzugsroute – sie sind die schlimmsten Feinde der Velofahrenden. Auch der Autoverkehr kommt während den Stosszeiten in Wellen angerollt und staut sich hinter dem Rotlicht teilweise so weit zurück, dass der Velostreifen, der für Entlastung sorgen soll, nicht mehr reicht. 

Die Folge? Velofahrende weichen auf das Trottoir aus, weil es auf der Strasse schlicht keinen Platz mehr hat. 

Willkommen auf der ersten Velovorzugsroute der Stadt Zürich, die gemäss Volksentscheid grundsätzlich vom Autoverkehr befreit sein müsste.

Im Video: So sieht die neue Vorzugsroute aus

(Gefilmt von Elio Donauer an einem Vormittag nach dem grössten Verkehrsaufkommen)

Die Idee einer Velovorzugsroute wäre, dass sich das Auto gegenüber den Velos in Unterzahl befindet und sich darum als Gast fühlt. Die Realität auf der fertiggestellten Route sieht zumindest morgens und abends genau umgekehrt aus: Noch immer fahren deutlich mehr Autos auf den Strassen, das Velo ist Gast auf seiner eigenen Vorzugsroute. 

Das Problem liesse sich lösen: Mit kürzeren Einbahnabschnitten, welche die Strecke für den Durchgangsverkehr unattraktiv machen. Dafür bräuchte es keine neuen baulichen Veränderungen. Ein paar neue Schilder und etwas Farbe würden genügen. 

Auch wenn gegenüber vorher der Autoverkehr deutlich reduziert worden ist und es auf einigen Metern richtig Spass macht, in Sicherheit Velo zu fahren, kann die Vorzugsroute die Erwartungen nicht erfüllen. Grundsätzlich vom Verkehr befreit? Kaum. Die guten Ansätze sind erkennbar, aber von einer fertigen Vorzugsroute für das Velo zu sprechen, ist übertrieben. 

Wenn dieser neue Standard auf allen Strassen in der Stadt als Minimum gelten würde, wäre das ein grosser Schritt. Aber ihn als Prestigeprojekt und Maximum zu verkaufen, ist schlicht zu wenig. Soll so die Verkehrswende in der Stadt Zürich aussehen? 

Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen beim Tiefbauamt und der Dienstabteilung Verkehr rasch und deutlich nachbessern.  P.S. Dass zahlreiche Autofahrende sich noch nicht an die neuen Einbahn- und Abbiegregeln halten und dass diverse Last- und Lieferwagen einfach auf dem Velostreifen parkieren, wird fast zur Nebensache. Die Polizei hat für die nächste Zeit eine höhere Präsenz angekündigt.

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2024-02-27 Portraits Emilia, Simon, Isa-70 2

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark.

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In einer nicen Stadt wie Zürich gibt es Dinge, Ereignisse, Menschen, die eine Öffentlichkeit verdient haben und kritisch besprochen werden sollten. Ausserdem weiss ich, dass junge Menschen nicht das Interesse an politischen Themen und gutem Journalismus verloren haben – sie werden allzu oft leider einfach nicht als Zielgruppe ernstgenommen. Fazit: Gute Geschichten für junge Menschen, das treibt mich als Journalist an.

Das mag ich an Zürich am meisten:

Unsere Stadt ist gross genug, um eigene Projekte anreissen zu können und klein genug, um den Überblick nicht zu verlieren. Das liebe ich. Und den Sommer. Und all die lieben Menschen.

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