«Stadträtin, schicken Sie Velofahrer:innen in die Schule!»

Damit in Wollishofen eine Veloroute entstehen kann, will die Stadt 104 Parkplätze abbauen. Trotz Volksentscheid wird es Widerstand geben, wie eine Veranstaltung im Quartier zeigt.

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Im Saal das Volk, auf der Bühne die Politikerinnen.

Wer Parkplätze abbaut, wird Zorn ernten. Oder in den Worten des Quartiervereinspräsidenten: «Mobilität bewegt nicht nur von A nach B, sondern auch die Gemüter.»

Der Quartierverein Wollishofen und die Stadt Zürich haben an einem gemeinsamen Anlass die Veloroute in Wollishofen vorgestellt. Rund 200 Personen sind gekommen, um den beiden Stadträtinnen Simone Brander (SP), Karin Rykart (Grüne) und der entsprechenden Projektleiterin zuzuhören, was denn genau geplant ist.

In Wollishofen soll eine neue Velovorzugsroute entstehen, so hat es das Stimmvolk entschieden. Sowohl die Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich», wie auch der Richtplan Verkehr haben an der Urne deutliche Mehrheiten gefunden. Nun geht es um die Umsetzung und weil der Strassenraum knapp ist, muss dieser neu verteilt werden. Meistens heisst dies, dass Parkplätze verschwinden, was wiederum Anwohner:innen wütend macht. Diverse Velorouten sind aktuell blockiert, weil Rekurse eingereicht worden sind.

Das Wichtigste zuerst: 104 Parkplätze in der blauen Zone müssen abgebaut werden, damit die 2192 Meter lange Vorzugsroute von der Stadtgrenze bei Kilchberg bis zur Mutschellenstrasse umgesetzt werden kann. Auf der Strecke sollen Velos im Vortritt sein, wofür der Durchgangsverkehr reduziert werden muss. Dies wiederum soll teilweise mit Einbahnstrassen und dem Abbau von Parkplätzen erreicht werden. Vom 10. Februar bis zum 13. März werden die Pläne öffentlich aufgelegt, in diesem Zeitraum sind auch Rekurse möglich. 

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Um die beiden roten Abschnitte auf der Karte geht es.

Die beiden Politikerinnen kämpften für den Volksauftrag, blieben sachlich und versuchten während der stündigen Fragerunde auf die Sorgen der älteren Quartierbevölkerung einzugehen. Ziel der Veranstaltung war wohl, mit einer proaktiven Kommunikation möglichst viele Rekurse zu verhindern. Die Voten aus dem Saal sprechen allerdings nicht für eine baldige Umsetzung der Volksentscheide. Die Mehrheiten im Saal waren anders verteilt als im Stimmvolk. Zumindest war die Parkplatz-Fraktion lauter. Oder einfach öfter am Mikrofon. 

Gekommen ist, wer sich um den Parkplatz fürchtet.  

  • «Schicken Sie zuerst die Velofahrer in die Schule!», ruft ein älterer Herr. Applaus im Saal. Es könne doch nicht sein, dass Autofahrer:innen noch mehr im Quartier umherfahren, weil sie einen Parkplatz suchen müssen. 
  • «Überlassen Sie das Projekt Ihren Kindern!», ruft ein anderer älterer Herr. Wieder Applaus. Die Quartierstrassen seien eh schon wenig befahren, in dieser Form brauche es die Vorzugsroute nicht. 
  • «Velofahren sollte abgeschafft werden!», ruft diesmal eine ältere Frau. Nochmals Applaus. Es sei gefährlich auf den Strassen (viele Konflikte), es sei darum nicht richtig, was hier geplant sei und mit dem Auto könne man ja bald nirgends mehr durchfahren. 
  • «Sie sollten Ihre Pläne zuerst auf Schüler und Fussgänger ausrichten. Erst dann aufs Velo!», kommt die Forderung, welche – Überraschung – Applaus erntete.

Die Vorzugsrouten-Befürworter:innen waren zwar in Unterzahl, aber durchaus zu einem Gegenapplaus fähig: Stadträtin Brander argumentierte zum Beispiel, das Velo sei ein umweltfreundliches und platzsparendes Verkehrsmittel und darum sehr zukunftstauglich. Ausserdem habe das Volk mehrfach für diesen Ausbau der Veloinfrastruktur gestimmt. 

Ein eher jüngerer Mann stellte dann noch die Frage, ob die geplante Umsetzung mit dem Volksentscheid vereinbar sei. Denn in der Initiative steht, die Velorouten seien grundsätzlich vom Verkehr befreit, was hier aber nicht so geplant sei. Schliesslich habe es noch immer Parkplätze auf der Veloroute. Darauf hatten die beiden Politiker:innen keine Antwort. 

2024-02-27 Portraits Emilia, Simon, Isa-70 2

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark.

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Politische Themen fesseln mich, schon seit ich ein eigenes Denken entwickelt habe. Darum schreibe ich auch am liebsten darüber. Weil aber fast alles politisch ist, schreibe ich über fast alles gerne. Ausser über Theater, die schaue ich mir lieber einfach an.

Darum bin ich Journalist:

In einer nicen Stadt wie Zürich gibt es Dinge, Ereignisse, Menschen, die eine Öffentlichkeit verdient haben und kritisch besprochen werden sollten. Ausserdem weiss ich, dass junge Menschen nicht das Interesse an politischen Themen und gutem Journalismus verloren haben – sie werden allzu oft leider einfach nicht als Zielgruppe ernstgenommen. Fazit: Gute Geschichten für junge Menschen, das treibt mich als Journalist an.

Das mag ich an Zürich am meisten:

Unsere Stadt ist gross genug, um eigene Projekte anreissen zu können und klein genug, um den Überblick nicht zu verlieren. Das liebe ich. Und den Sommer. Und all die lieben Menschen.

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